Rückblick - botanische Exkursion am 20.05.2022 in Münster
Die von ILWA organisierte Exkursion begann am Zentralfriedhof und endete am Aasee in Münster. Ziel war es, die eigenen Botanikkenntnisse aufzufrischen oder zu erweitern und sich von Feders Begeisterung für das Pflanzenreich anstecken zu lassen. Sein enormes Wissen und sein unerschöpflicher Einsatz, tausende Pflanzen in ganz Deutschland und vor allem in Niedersachsen zu kartieren, hat ihm die Bezeichnung „Extrem-Botaniker“ verliehen. Es war unsere Aufgabe, für sich selbst herauszufinden, ob diese Bezeichnung gerechtfertigt ist und ob es ihm gelingt, eine ausgewogene Balance zwischen Fachwissen und Begeisterungsfähigkeit für Pflanzen und deren Wechselwirkungen herzustellen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Art der Kommunikation, welche Fähigkeiten und Beweggründe nötig sind, um anderen Leuten den Zugang zur Natur zu ermöglichen, ihre Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu schärfen und bestenfalls ein Stück Begeisterung für die Pflanzenvielfalt / Natur mitzugeben.
von Lena A.
Frage 1: Jürgen Feder wird häufig als "extrem" bezeichnet. Denkt ihr das auch?
Nina N. fragt zurück:
Die Frage, ob jemand „extrem“ ist, lässt weitere Fragen entstehen. Was ist normal? Warum haben Menschen, die sich mit Hingabe Fachwissen aneignen und interdisziplinäre Zusammenhänge verstehen möchten, schnell den Ruf, „Freaks“ oder „übertrieben“ zu sein? Wie können Menschen, die im Fernsehen als „extrem“ bezeichnet werden, mit Stigmatisierung umgehen und trotzdem noch ernst genommen werden? Wie wichtig ist gesellschaftliche Anerkennung, um Werte und Erkenntnisse zu vermitteln? Ich empfinde es als falsch, jemanden, der ein so umfangreiches Fachwissen besitzt, in die „extreme“ Ecke zu stellen, obwohl genau diese Begeisterung eines Themas für jeden Menschen erstrebenswert sein sollte. Vielleicht zeugt solch eine Bezeichnung von einer verlorenen Gesellschaft, in der ihre Individuen Angst haben, aufzufallen und als „anders“ zu gelten. Mein Eindruck von Jürgen Feder war, dass ihn solche Fragen nicht aufhalten, sie ihm vielleicht sogar egal sind – wie inspirierend. Die Fähigkeit, andere zu begeistern sollte der Grundbaustein der Didaktik sein, um nachhaltiges Wissen zu sichern und synaptische Verknüpfungen zu schaffen. Es muss keine Balance zwischen Fachwissen und Begeisterungsfähigkeit geben, weil ein Element das andere bedingt. Genau diese Art von Wissensvermittlung ist essenziell, um Menschen die Dringlichkeit von Naturschutz zu erläutern und zum Umdenken, besser noch zum Handeln anzuregen.
Frederik D. denkt:
Natürlich nimmt Jürgen Feder in seiner ganzen Art und Weise, in seinem extrovertierten Auftreten und seinem Wirken nach außen eine „extremere“ bzw. außergewöhnlichere Rolle im wissenschaftlichen Bereich der Botanik und der damit verknüpften Kommunikation dieses Gebietes ein. Jedoch ist aus meiner Sicht diese Art im Bereich der Botanik gewinnbringend, um bei verschiedenartigen Personen für den Themenbereich der Botanik Interesse zu wecken sowie gleichzeitig (Basis-)Wissen zu vermitteln. Dieser Zugang zu Wissen kann hier im Vergleich zu herkömmlicher Wissensvermittlung über diverse Veröffentlichungen durch lockeres, offenes Auftreten im Rahmen von Exkursionen, verknüpft mit dem einen oder anderen Spruch oder Witz, auch für Laien auf diesem Themengebiet geboten werden und interessant verpackt werden. Das „Extreme“ an Jürgen Feder ist dazu die Verbissenheit und das Interesse an der Botanik in einem äußerst hohen Maß, wobei die Teilnehmenden seiner Exkursion die Passion, die Feder für die Pflanzenwelt mitbringt, deutlich erleben können. Hierdurch kann ein positiver Effekt auf Prozesse wie mangelndem Interesse an der Botanik sowie die öffentliche Aufklärung bzw. Kommunikation über etwaige Missstände im Rahmen von z.B. Klimawandel, Naturschutz oder Artendiversität hergestellt werden. […]
Zusammenfassung des Tages mit Jürgen Feder
Gruppe 1
Nur wenige Schritte auf dem Hauptfriedhof und Feder entdeckte bereits eine Vielzahl an teilweise recht unscheinbaren Pflanzen. Es sprudelte an Wissen aus ihm heraus, zahlreiche Informationen zu Bestimmungsmerkmalen, Herkunft, Verbreitung, Standortansprüchen und Heilwirkungen wurden in kürzester Zeit vermittelt. Angefangen beim Ackerschmalhalm, über Vergissmeinnicht und Tellerkraut bis hin zum Wurmfarn wurde ein weites Artenspektrum angesprochen. Es war unmöglich, alles mitzuschreiben oder gar sich alles zu merken. Begleitet von schrägen Sprüchen, mal einem Witz von der Seite und dem aktiven Einbinden seines Publikums konnte er es aber dennoch erreichen, dass man viele angesprochene Aspekte nicht so schnell wieder vergessen wird. Feders markante und laute Stimme überschlug sich oft vor Begeisterung und riss einen sofort mit in einen regelrechten Pflanzenrausch.
von Lena A.
Gruppe 2
Jürgen Feder hat während der Exkursion ununterbrochen geredet. Er hatte kein Skript oder roten Faden, sondern hat sich vom „Wegesrand“ leiten und inspirieren lassen. Dabei hat er durchgehend mit uns interagiert und uns einbezogen, uns nach unserem Wissensstand gefragt und bereits gelerntes mit viel Freude wiederholt. Gegen Ende, es regnete bereits in Strömen und unsere Laune blieb fröhlich, kamen wir am Waldstück nördlich vom Aasee hinter der Torminbrücke an. Hier stehen verschiedene Laubbäume und er erklärte uns, dass man die Samen-Hülsen der verschiedenen Ahorn-Arten gut voneinander unterscheiden kann.
- Der Feld-Ahorn (Acer campestre) hat eine ganz gerade Samen-Form, wie ein Feld, was horizontal gerade ist.
- Der Bergahorn (Acer pseudoplatanus) entwickelt Samen, die wie ein Berg geformt sind, mit steilen Hängen als Flügel und den Samen auf dem Bergplateau.
- Der Spitzahorn (Acer platanoides) sieht ähnlich aus, aber hier stehen die Flügel wie ein spitzes Röckchen im 45-Grad-Winkel vom Samen ab
Dabei hat er so eine süße Handbewegung gemacht, als würde er einen geplusterten Petticoat tragen, mit spitzer Borte und viel Plüsch. Dieses Bild werde ich wohl niemals vergessen und die Eselsbrücke auch nicht.
Die Mäusegerste
Optisch hart, doch weich die Ähre
Sieht doch wie Getreide aus
Wenn es nur genießbar wäre
Schmackhaft ist´s allein der Maus
Selten nur ist es bekannt
Mäusegerste wird´s genannt
Überall an jeder Ecke
Wo der Hund grad hingemacht
An der nährstoffreichen Hecke
Stehts in seiner ganzen Pracht
Klingt jetzt etwas uncharmant:
Pissgerste wird es genannt
Heut im Schatten, früher sonnig
Passt es sich dem Wandel an
Und gedeiht besonders wonnig
Wenn der Mahd es folgen kann
Schlau scheint jeder, der auch weiß
Dass es Hordeum murinum heißt
von Linus S.
von Chiara P.
von Johanna D.
Frage 2: Welche Motive und welche Art von Kommunikation sind für die gesellschaftliche Einbettung des Naturschutzes eurer Meinung nach wichtig?
Wir bauen keinen Park in eine Stadt sondern eine Stadt in den unendlich großen Park genannt “Natur”. Es muss ein Bewusstsein für Natur- und Umweltschutz geschaffen werden. Dieses Bewusstsein gilt für Tiere wie auch für Pflanzen, deren Nutzen, Herkunft und Gefährdung. Wie können wir mit Pflanzen koexistieren, sie schützen aber auch nutzen.
In den Schulen wird das Thema Ökologie/Naturschutz zwar transdisziplinär aber oberflächlich behandelt. Im Abitur muss es sich oft der Neurologie und Zellbiologie unterordnen. In Geographie/Erdkunde wird öfter über Naturkatastrophen, die Entstehung der Alpen oder den Tourismus auf Mallorca gesprochen. Hier ist jemand wie Jürgen Feder von großer Bedeutung. Seine Methoden mögen fragwürdig sein, aber eines kann man ihm nicht abstreiten: Er macht auf das Thema Botanik und Ökologie sowie den damit verbundenen Aspekt des Umweltschutzes aufmerksam. Und Aufmerksamkeit ist genau das, was dieses hochbrisante, tagesaktuelle Thema benötigt. Menschen, die kein Blatt vor den Mund nehmen und die “langweilige” Pflanzenwelt ins Rampenlicht holen.
von Hannes W.
Um Naturschutz gesellschaftlich zu etablieren ist vor allem die Kommunikation und Erklärung, warum und wie man welche Pflanze am besten schützt, notwendig.
von Christian P.
Frage 3: Gelingt es Jürgen Feder eine ausgewogene Balance zwischen Fachwissen und Begeisterungsfähigkeit für Organismen und ihre Wechselwirkungen herzustellen?
Meiner Meinung nach dominiert Feders Begeisterung sein fundiertes Fachwissen stark. Dennoch glaube ich, dass Feder vielen Menschen nachhaltig auf die zu schützende Pflanzenwelt aufmerksam machen kann. Außerdem denke ich, dass er, trotz eines Ungleichgewichts von Begeisterung und Fachwissen, viele Menschen zu einem rücksichtsvolleren Umgang mit der Natur und Ressourcen, auch in Bezug auf den Klimawandel, animieren kann. Dieses Resultat würde ich als wichtiger bewerten, als diverse lateinische Fachbegriffe für verschiedenste Pflanzenarten zu kennen. Schlussfolgernd würde ich seine Art, Menschen zu animieren, als zielführend charakterisieren. Eventuell könnte aber eine gemäßigtere Einstellung bzw. Vermittlung seines Wissens und seiner Vorstellung noch zielführender sein, da sich die Gesellschaft mit einer weniger extremen Einstellung besser identifizieren könnte.
Um die Gesellschaft also im Allgemeinen für den Naturschutz zu gewinnen, sind aus meiner Perspektive die wichtigsten Motive:
- die Begeisterung
- das Fachwissen
- die Kommunikationsweise
- der inhaltliche Kontext
- die Gefahren und negativen Folgen, die ohne weitreichenderen Naturschutz schon jetzt vorhanden sind und sich zukünftig maximieren werden
von Leonie H.
Du kennst nicht den Extrembotaniker aus Deutschland?
Dann schau‘ mal hier rein:
Jürgen Feder in der WDR Doku „Insektensterben – Wie retten wir wilde Wiesen?“